Dr. Volker Buddrus

 

 

Übersicht über Rückwege in das Sein

 

 

Ich gehe davon aus, dass jeder Mensch aus der Kindheit und über vielleicht dem Sein nicht zugeordnete Erfahrungen auch als Erwachsener über Seinserfahrungen verfügt. Aus der Persönlichkeitsstruktur oder dem Ego heraus ist jedoch die Wahrnehmung von Sein nicht möglich. Immer steht vor der Seinswahrnehmung die egotypische Verzerrung der Seins.

 

Die folgende Systematik zeigt eine Landkarte von Rückwegen ins Sein, also von Seinszugängen aus der Persönlichkeitsstruktur heraus. Die hier aufgenommenen Zugänge beruhen auf meiner Erkenntnis und auf meiner Erfahrung. Diese Landkarte ist daher nicht vollständig.

 

Die Grundmetapher lautet: Unter dem Pflaster (der Persönlichkeitsstruktur) liegt der Strand (der personale Bereich des Seins) am Meer des Seins.

 

Dieser Systematik liegt die Vermutung zugrunde, dass durch vielfältige Seinswahrnehmungen die Strukturen der Persönlichkeitstruktur aufgeweicht und die Persönlichkeit transparenter zum Sein hin wird.

 

Und nun zu den Typen von Rückwegen (in der Skizze von links nach rechts).

 

 

 

Seinserkundung einer tiefen Wunde

Wenn wir eine tiefe Wunde, einen schmerzhaften Bereich der Persönlichkeitsstruktur „erkunden“, können wir oft die Seinsqualität wahrnehmen. Das „oft“ steht einmal dafür, dass wir die Wahrnehmung von Seinsqualitäten nicht erzwingen können, nicht mit dem Willen dahin gelangen. Wahrnehmung von Sein ist immer auch ein Akt der Gnade. Weiterhin können wir eine tiefe Wunde wahrnehmen und bleiben dennoch dort haften, weil noch weitere Abwehrmechanismen den Zugang zum Sein behindern. Dann braucht es weitere Erkundungen.

 

Spiritueller Unfall (Seinsfall)

Dieser Zugang zum Sein ist nicht im Seminar angezielt. Er ereignet sich in einer Extremsituation und führt ins personale Sein, manchmal auch ins Meer des Seins. Dieser Vorgang wird dann, wenn er von der Persönlichkeitstruktur angenommen werden kann, oft als Gipfelerlebnis wahrgenommen. Wird er nicht angenommen, dann reagiert die Persönlichkeitsstruktur darauf mit psychotischer Abwehr. Oft werden dann Dämonen wahrgenommen oder fremde Energien oder Mächte.

Zumeist kommen die Betroffenen eines spirituellen Unfalls nach kurzer Zeit wieder in ihre Persönlichkeitsstruktur zurück. Selten bleibt das Gipfelerlebnis konstant. Die psychotischen Zustände können jedoch ein Leben lang anhalten.

Sein ist Sein. Ob ein Fall ins Sein (unserem natürlichsten Zustand) als Gipfelerlebnis oder als Psychose verarbeitet wird ist einerseits vom Grad der Persönlichkeitsentwicklung abhängig, andererseits vom Kontext während des Erlebens. Ist dies ein aufgeklärter und förderlicher Kontext ist die Gefahr einer Psychose eher gering.

 

Lebenskrise

In einer Lebenskrise (etwa einer mid-life crisis) wird oft bewusst, dass auf die Persönlichkeitsstruktur nicht in dem Maß Verlass ist, wie erwartet. Spätestens dann wird erneut die Frage nach dem Sinn gestellt. Diese tiefe Erschütterung kann zur Neubesinnung auf den Wert und Sinn des Lebens führen. Diese Neubesinnung kann und auch Wege ins Sein durch unterschiedliche Erfahrungen eröffnen. Das Seminar zielt keine Lebenskrise an, kann jedoch in einer Lebenskrise mit zur Neuorientierung beitragen.

 

Wandlung von Gefühlen in Seinsqualitäten

Ein Gefühl ist der Bezug der Person zu seiner Umwelt. Den Gefühlen in der Persönlichkeitstruktur entsprechen die Seinsqualitäten im Sein. Gefühle sind durch die Abspaltung des Seins soweit von den ihnen zugrunde liegenden Seinsqualitäten unterschieden, dass sie nicht mehr als Seinsqualitäten wahrgenommen werden können. Im Seminar trainieren wir die Rückbesinnung und können über die Wahrnehmung der Seinsqualitäten ins Sein gelangen.

 

Exerzitien / Meditation

In diesen vielfältigen Formen wird durch Konzentration auf eine Tätigkeit (z.B. Atmen, Spülen oder Sitzen) die Persönlichkeitsstruktur ausgeblendet. Dies ist der entgegen gesetzte Prozess zur Abspaltung des Seins und der Entstehung von Strukturen der Persönlichkeitsstruktur. Durch die ausschließliche Konzentration aufs bewusste Tun ist die Person für die Zeit des Tun im Sein. Reicht die Konzentration nicht mehr aus, dann fällt die Person zurück in die Persönlichkeitstruktur.

Sowohl Exerzitien wie Meditation wird nicht nur als Selbstzweck betrachtet. Sie sind auch Übungsformen zur Ausweitung der Bewusstheit und zur Stärkung der Seele.

Je mehr Zeit im Sein verbracht wird, desto geringer wird u.U. die Stärke der Persönlichkeitstruktur.

 

Seinsblitze

Dies sind vielfältige Wahrnehmungen von Aspekten personalen Seins und Seins wie z.B. die Verwandlung von Form in Schönheit. Hiermit wird das bezeichnet, was einem wie ein Blitz ins Bewusstsein fällt, als ob ein Blitzlicht plötzlich für einen Augenblick einen Aspekt des Seins enthüllt. Danach ist dann wieder die Dunkelheit der Wahrnehmung durch die Brille der Persönlichkeitsstruktur. Zwar hilft Achtsamkeit die Wahrscheinlichkeit des Auftretens von Blitzen zu erhöhen, auch die Offenheit für derartige Phänomene. Dennoch sind auch Seinsblitze nicht willentlich herbeiführbar.

 

Präsenzwahrnehmung

In der unbewussten Wahrnehmung der Präsenz (also der Wahrnehmung des Seins) erfährt die Person Seinszustände ohne sie als solche zu benennen. Dies ist häufiger als allgemein angenommen. Viele Menschen erfahren eine deutliche Veränderung ihrer Wahrnehmung z.B. beim Blick in den Sternenhimmel oder beim Leben in der Natur.

 

Im Seminar üben wir bewusst und gezielt die Wahrnehmung von Seinszuständen über die Wahrnehmung von Präsenzen. Wenn wir die Präsenz des Seins wahrnehmen, sind wir ebenfalls im Sein. Wie kurz auch immer.

 

Für diejenigen unter Euch, die gern über grafische Darstellungen lernen, ist dieser Zusammenhang in einer Grafik dargestellt.