Dr. Volker Buddrus

 

Übungen zur Präsenz

 

 

 

Inhalt

 

Was ist Präsenz (Gegenwärtigkeit) - und was ist es nicht?. 1

 

Vorformen von Präsenz. 1

Bewusstheit 1

Aufmerksamkeit 2

Achtsamkeit 2

Präsenz. 2

 

Vorbereitende Übungen zur Wahrnehmung von Präsenz. 3

Bewusst werden des Bewusst-seins. 3

Flexibilisierung der Wahrnehmung. 3

Fischen. 4

 

Wahrnehmungen von Präsenz. 5

Die Analogie zum Geruch. 5

Wahrnehmen der Präsenz von anderen. 5

Wahrnehmen der Präsenz einer Gruppe. 5

Wahrnehmen der Präsenz in der Natur 6

Wahrnehmen der Präsenz von sich selbst 6

Präsent sein in einem Gefühl 6

Präsent sein in Stress- und Gefahrensituationen. 6

Präsent sein beim Lösen eines Koans. 6

Präsent sein bei Überschreiten der Anstrengungsgrenze. 6

Präsent sein durch Gewohnheiten überschreitendes Tun. 6

 

Was ist Präsenz (Gegenwärtigkeit) - und was ist es nicht?

 

Vorformen von Präsenz

Bewusstheit

Du bist Dir dessen bewusst, dass Du bewusst bist. Oft erfährst Du Deine Bewusstheit, indem Dir ein Thema (ein Objekt des Bewusstseins) bewusst ist. Es braucht also eine Instanz, die bewusst ist, gewöhnlich das „Ich“ und etwas, dessen sich das Ich bewusst ist.

      Beispiel: Ich bin mir bewusst, dass ich eine Übung erarbeite.

Du kannst Dir aber auch ohne Thema bewusst sein, dass Du bewusst bist. Dann ist die Tatsache, dass Du Dir bewusst bist, dass Du bewusst bist, das Thema, das Objekt.

Immer, wenn Du  Dir hingegen nicht bewusst bist, dass Du bewusst bist, bist Du nicht bewusst. Du schläfst, träumst, bist in einer Tätigkeit oder in einem Gedanken so einbezogen, dass Du nicht bewusst bist.

      Beispiel: Du siehst einen Film, „gehst“ mit – ohne Bewusstheit.

 

Aufmerksamkeit

Du bist wach, bewusst und bereit, das wahrzunehmen, worauf du deine Aufmerksamkeit richtest.

Beispiel: Meine Aufmerksamkeit ist auf den Text, der entsteht, gerichtet und etwas auf meine Finger, die den Text schreiben und etwas auf meine Spannungen im Rücken und im Nacken.

 

Achtsamkeit

Du achtest neben dem, worauf du achtest, auch auf das, was sonst noch passiert. In der Achtsamkeit merke ich, was von außen oder von innen auf mich zukommt. Der Bezug der Achtsamkeit, der Fluchtpunkt, ist das Ich.

Beispiel: Ich höre zusätzlich das Summen des Ventilators des Computers, ich denke daran, nicht zu lange zu schreiben und danach eine Entspannungsübung zu mache.

 

Präsenz

 

Präsenz - du bist im Bereich deiner Achtsamkeit ganz da. Präsenz st mehr als das Feld der Achtsamkeit. Du füllst den Bereich deiner Achtsamkeit ganz aus.

Es ist nicht mehr ein Subjekt, ein „Ich“, welches sich eines Themas, eines Gegenstandes, eines Objekt bewusst ist, sondern da ist Bewusstheit.

Diese Bewusstheit ist höchst dynamisch, nicht statisch oder fixiert. Die Ausrichtung und Intensität ändert sich immer wieder, häufig entsprechend den ‚Anforderungen der Situation.

Präsenz ist wie ein Feld, dass du ganz ausfüllst. Bist Du präsent, dann gibt es keine Subjekt-Objekttrennung, keine duale Wahrnehmung. Daran erkennst Du es und noch an vielem mehr.

 


Vorbereitende Übungen zur Wahrnehmung von Präsenz

 

Bewusst werden des Bewusst-seins

Wenn Du wach und nicht bewusst bist, bist Du mit irgendetwas anderem identifiziert.

Diesen Zustand nimmst Du als Ausgangspunkt.

 

 

 

Flexibilisierung der Wahrnehmung

Umschalten der Wahrnehmung von Bewusstheit zur Aufmerksamkeit und zur Achtsamkeit und zurück. Werde Dir bewusst, was sich verändert und wie sich das verändert. Du fängst so an, das Organ der Bewusstheit als Organ wahrzunehmen.

 

·         Aufgabe: Weite nun vom Punkt der Bewusstheit Deine Wahrnehmung aus und sei aufmerksam auf etwas. Nimm wahr, wie Du Dich mit dem Objekt Deiner Wahrnehmung zu identifizieren anfängst. Du verfolgst dann mit Deiner Bewusstheit das Objekt Deiner Wahrnehmung, Du bist diesem gegenüber aufmerksam.

·         Beispiel: Ich sehe das Eichhörnchen und folge seinen Bewegungen.  Zugleich nehme ich Freude wahr und Entzücken an der Gestalt und den Bewegungen des Eichhörnchens.

 

·         Aufgabe: Weite Dein Bewusstsein weiter aus, indem Du auch noch anderes, was Du zugleich wahrnimmst, als Gegenstand Deines Bewusstseins zulässt.

·         Beispiel: Ich nehme den kalten Wind wahr und wie sich die Zweige der Bäume bewegen. Eine alte Frau bleibt ebenfalls stehen und sieht dem Eichhörnchen zu. Sie sagt zu mir: „Dies zu sehen gibt mir Freude“. Ich nicke, fühle mich mit der alten Frau verbunden als Mensch unter Menschen.

 

·         Aufgabe: Konzentriere Dein Bewusstsein zurück zur Aufmerksamkeit und schränke Deine Wahrnehmung ein.

·         Beispiel: Ich nehme jetzt nur noch das Eichhörnchen und meine Reaktionen auf die Wahrnehmungen wahr. Ich sehe das Eichhörnchen einen Baum herauf laufen. „Wie sicher und wie zierlich“ denke ich. „Ob es genügend für den Wintervorrat einsammeln kann“, denke ich weiter. Mir wird erneut bewusst, wie kalt der Wind ist und ich freue mich auf meine warme Wohnung.

 

·         Aufgabe: Konzentriere Deine Wahrnehmung darauf, dass Du bewusst bist.

·         Beispiel: Ich werde mir bewusst, dass ich bewusst bin. Das Eichhörnchen und die Kälte verschwinden aus meiner Wahrnehmung. Ich nehme nur noch mich als bewusst wahr.

 

Fischen

Wenn Du fischt, dann hast Du über längere Zeit einen weichen Blick und eine weite Aufmerksamkeit. Bewegt sich aber der Blinker, dann konzentrierst Du Deine Aufmerksamkeit auf den Akt des Fangens und holst evtl. die Angel ein. Dann wirfst Du sie wieder aus …

 

·         Aufgabe: Wähle Dir einen Gegenstand der Aufmerksamkeit, vielleicht einen Körperteil von Dir, eine Person oder Gruppe. Wechsle vom weiten Blick mit Übersicht zur eng gerichteten Konzentration und zurück.

·         Beispiel: Ich moderiere eine Gruppe. Die Gruppe arbeitet an einer Aufgabenstellung in mehreren Untergruppen in einem Raum. Ich sitze entspannt da und lasse den Blick und die Aufmerksamkeit schweifen. Plötzlich entsteht in einer Untergruppe Bewegung. Teilnehmer setzen sich auf ihrem Stuhl zurück. Ein Teilnehmer steht auf. Ich schaue genauer hin. Die anderen Gruppen und den Rest des Raumes nehme ich nicht mehr wahr. Ich sehe, wie eine Teilnehmerin ein Flipchartpapier hoch nimmt und langsam in die Kreismitte zurückkommt. Ich schaue auf die Uhr, nicke ihr zu und sage „die anderen Gruppen haben noch 5 Minuten Zeit“ und lasse meinen Blick wieder schweifen.

 

 

 


Wahrnehmungen von Präsenz

Die Analogie zum Geruch.

Geruch ist zwar ein Sinn, hat jedoch genügend Ähnlichkeit mit der Wahrnehmung von Präsenz. Du kann den Geruch von Dir oder von anderen nicht sehen, nicht fühlen, nicht hören, nicht tasten. Du kannst ihn jedoch wahrnehmen. Du riechst.

Du kannst die Präsenz von Dir und anderen nicht sehen, nicht fühlen, nicht hören, nicht tasten, nicht riechen. Doch Du kannst Deine Präsenz wahrnehmen und die von anderen „spüren“.

 

Wahrnehmen der Präsenz von anderen

 als Energiefeld, als Ausstrahlung.

Etwas ist anders, wenn die Person da ist – und Du achtsam bist. Der Raum fühlt sich voller an, die Atmosphäre wird dichter, da ist mehr Energie da, vielleicht etwas „frisches“. Jede Person hat eine andere Präsenz, wenn sie eine Präsenz hat, d.h. wenn sie präsent ist.

Beispiel: Du bist allein im Raum oder Haus. Plötzlich spürst Du, dass da noch etwas ist. Du weißt zunächst nicht, was oder wer das ist. Dann hörst, siehst oder riechst Du eine Person oder ein Tier.

 

·         Aufgabe: Nimm die Präsenz von verschiedenen Menschen wahr und beschreibe, wie sich die Präsenzen unterscheiden.

·         Aufgabe: Nimm die Präsenz einer Deiner Bezugspersonen wahr. Beschreibe, wie diese sich verändert oder gleich bleibt.

·         Aufgabe: Finde heraus, ob und wie sich Deine Wahrnehmung der Präsenz von anderen un

·         terscheidet, je nachdem, wie Du drauf bist.

 

Wahrnehmen der Präsenz einer Gruppe

als Energiefeld, als Ausstrahlung - das "Gruppenwesen".

Eine Gruppe wirkt immer schon als Präsenz. Denn die Gruppe organisiert die Persönlichkeitsanteile ihrer Mitglieder nach ihrem Willen. Es braucht viel Bewusstheit für ein Mitglied sich anders als von der Gruppe hervorgerufen zu verhalten.

 

·         Aufgabe – direkte Wahrnehmung der Gruppenpräsenz: Nimm wahr, wie sich die Gruppenpräsenz bei Beginn einer Zusammenkunft der Gruppe bildet, wie sich die Atmosphäre verändert, wie sich die Mitglieder auf die Gruppengewohnheiten (oft die Gruppenregeln) hin ausrichten. Achte darauf, wie sich die Gruppenmitglieder aufeinander beziehen. Achte auf Veränderungen der Stimmungen und Reaktionen in Dir und überprüfe, ob Du so normalerweise außerhalb der Gruppe reagieren würdest. Wenn nicht, dann nimmst Du die Präsenz der Gruppe wahr und nicht Dein eigenes Innenleben.

·         Aufgabe - indirekte Wahrnehmung der Gruppenpräsenz: Nimm in einer Dir bekannten Gruppe bewusst eine andere Position ein, wechsle z.B. von der Führungsrolle, wenn Du diese gewöhnlich innehast, in eine andere Rolle, z.B. in die des Unterstützers oder Kümmerers. Nimm die Reaktion als Spannung in Dir wahr, Dich in die alte Rolle zu begeben. Nimm die Reaktion in der Atmosphäre der Gruppe wahr, wenn Du Deine erwartete Position nicht einnimmst. Nimm die Reaktionen von anderen Gruppenmitgliedern wahr, wenn Du Deine erwartete Position nicht einnimmst und Deine inneren Reaktionen auf die Reaktionen der anderen.

Wahrnehmen der Präsenz in der Natur

von Bäumen etc.

Vielen fällt die Wahrnehmung der Präsenz in der Natur leichter als die von sich selbst oder von anderen. Wenn Du z.B. nachts den Sternenhimmel betrachtest und Du Dir vorstellst, wie klein Du bist und wie groß das Weltall und dass Du ein Teil dieses Kosmos bist, dann kannst Du die Unermesslichkeit spüren und vielleicht erfurchtsvoll erschaudern. Die Natur ist präsent – immer. Du brauchst die Präsenz nur wahrzunehmen. Grundsätzlich kannst Du alles wahrnehmen, von der Präsenz einer Landschaft bis zur kleinsten Ameise.

 

·         Aufgabe: Nähere Dich einem Baum und berühre ihn, je größer und älter, desto leichter für viele. Gehe davon aus, dass Du die Präsenz dieses Baumes spüren kannst. Nimm die Präsenz wahr, als Energiefeld, als Ton, als … Die Präsenz hat eine Gestalt, die aber nicht mit der körperlichen Gestalt des Baumes identisch ist. Nähere Dich noch einem zweiten Baum. Nimm Ähnlichkeiten und Unterschiede zur Präsenz des ersten Baumes wahr.

 

Wahrnehmen der Präsenz von sich selbst

Als Körperbild + Wärmefeld, als Energiefeld, als Sein.

Wann bin ich wirklich da? Woran merke ich, dass ich wirklich da bin?

Ich bin in meiner Wahrnehmung, bin in meinen Sinnen drin. Ich beobachte nicht nur "von außen". Etwas in mir nimmt an der Erfahrung teil.

Präsent sein in einem Gefühl

Wenn ich so tief in einer als berechtigt empfundenen Emotion bin, dann bin ich in dieser präsent. Bei Wut kann die Kraft der Wut als eine weitere Qualität wahrgenommen werden - die Präsenz von Kraft. Wird diese bewusster, dann kann der Körper als mit dieser Seinsqualität durchdrungen wahrgenommen werden.

Präsent sein in Stress- und Gefahrensituationen

Präsenz kann auch in Situationen von Stress und Gefahr entstehen. Du bist dann ganz frei vom Ich. Diese Präsenz wird von Extremsportlern bewusst aufgesucht und als Übungsweg genutzt.

Präsent sein beim Lösen eines Koans

Ein Koan ist deshalb ein Koan, weil er nicht in der Konstellation Ich-Thema oder Subjekt-Objekt gelöst werden kann.

Aufgabe: Wenn Du es probieren willst. Hier ist ein Koan: „Der nahtlose Mantel des Universums“.

Präsent sein bei Überschreiten der Anstrengungsgrenze

Superanstrengung nach "Gurdjieff": Eine Anstrengung, die über das Maß der Anstrengung hinausgeht, die notwendig ist, um einen bestimmten Zweck zu erreichen.

Beispiel: Du bist nach einer langen Wanderung erschöpft und beginnst diese Wanderung erneut.

Präsent sein durch Gewohnheiten überschreitendes Tun

Solange Du noch auf die Ausführung von Gewohnheiten achten musst, willst Du etwas und dies ist eine Subjekt-Objektbeziehung. Wenn Du bewusst bist und eine Tätigkeit ausübst, die dies nicht mehr erfordert, dann bist Du im präsent im Sein.

Beispiel: Wenn Du nicht mehr auf die Schritte beim Tanz achten musst, tanzt der Tanz Dich.

 

 

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© Dr. Volker Buddrus