Du bist ein Riese, Max!

 

 

Du bist ein Riese, Max!

Kinder werden als Riesen geboren,

Doch mit jedem Tag, der dann erwacht,

Geht ein Stück von ihrer Kraft verloren,

Tun wir etwas, das sie kleiner macht.

Kinder versetzen so lange Berge,

Bis der Teufelskreis beginnt,

Bis Sie wie wir erwachs'ne Zwerge

Endlich so klein wie wir Großen sind!

Du bist ein Riese, Max! Sollst immer einer sein!

Großes Herz und großer Mut und nur zur Tarnung nach außen klein.

 

Du bist ein Riese, Max! Mit deiner Fantasie,

Auf deinen Flügeln aus Gedanken kriegen sie dich nie!

Freiheit ist für dich durch nichts ersetzbar,

Widerspruch ist dein kostbarstes Gut.

Liebe macht dich unverletzbar,

Wie ein Bad im Drachenblut.

Doch pass auf! Die Freigeistfresser lauern

Eifersüchtig im Vorurteilsmief,

Ziehen Gräben und erdenken Mauern

Und Schubladen, wie Verließe so tief.

Du bist ein Riese, Max! Sollst immer einer sein!

Großes Herz und großer Mut und nur zur Tarnung nach außen klein.

 

Du bist ein Riese, Max! Mit deiner Fantasie,

Auf deinen Flügeln aus Gedanken kriegen sie dich nie!

Keine Übermacht könnte dich beugen,

Keinen Zwang wüßt' ich, der dich einzäunt.

Besiegen kann dich keiner, nur überzeugen.

Max, ich wäre gern dein Freund,

Wenn du morgen auf deinen Reisen

Siehst, wo die blaue Blume wächst,

Und vielleicht den Stein der Weisen

Und das versunkene Atlantis entdeckst!

Du bist ein Riese, Max! Sollst immer einer sein!

Großes Herz und großer Mut und nur zur Tarnung nach außen klein.

 

Du bist ein Riese, Max! Mit deiner Phantasie.

Auf deinen Flügeln aus Gedanken kriegen sei dich nie!

 

 

Text: Reinhard Mey, zitiert von Heinz-Peter Röhr 1999: Narzissmus. Das innere Gefängnis.24f.

 

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© Dr. Volker Buddrus