Kennzeichen narzisstischer Störungen

 

„Die Störungen in der Entwicklung des Selbst können entweder in Beeich des Empfindens der  Ganzheit oder der Identität auftreten, oder in beiden. Wenn die Entwicklung der Identität unvollständig oder verzerrt ist, dann ist die Identität spröde und zerbrechlich, schwach, wackelig oberflächlich, unvollständig, verzerrt und/oder unrealistisch. Sie ist damit verwundbar gegenüber Verletzungen, Zerfall und Verlust. Wenn das lebendige Zentrum des Selbst, das Zentrum der psychologischen Ausgeglichenheit und Gleichklangs, der Platz in einem, der einem erlaubt, sich selbst in einer sofortigen Weise zu kennen, nicht fest errichtet ist oder stabil, wird man das Gefühl der Identität nicht nur als unsicher und unklar erleben sondern manchmal als bedroht oder sogar als vernichtet oder verloren.

 

Diese Schwäche oder der Verlust der Identität kann sich als Gefühl äußern, dass man kein Selbst besitz, oder als ein Empfinden einer unvollständigen Leere. Diese Gefühle zeigen die Abwesenheit eines Empfindens eines Zentrums an. Man fühlt sich wie eine Einheit ohne Zentrum an, ein Körper ohne Inneres …“

 

Eine Person mit einem nicht stabilen oder abwesenden Zentrum des Selbst wird sich vermutlich verloren oder orientierungslos fühlen. Sie wird das Gefühl haben, nicht zu wissen, was zu tun ist. Sie kann sich depressiv fühlen, denn weder kennt sie sich selber in der Tiefe, noch verfügt sie über eine klares oder festes Gefühl wer oder was sie ist. Und daher weiß sie nicht, was zu tun ist. Ohne ein klares Spüren ihres Selbst werden ihre Handlungen das Gefühl der Wichtigkeit.

 

Sogar dann, wenn sie diesen Orientierungsverlust verdecken kann, indem sie von außen kommende Ziele und Absichten annimmt, wird das Erreichte sich leer und bedeutlungslos anfühlen, da sie nicht ihrem eigenem Wertgefühl dienen, und sich nicht aus ihrem eigenen Antrieb herleiten. Ihr Leben wird durchdrungen sein von einem Gefühl der Bedeutungslosigkeit, der Zwecklosigkeit, der Ziellosigkeit und der Oberflächlichkeit. Sie ist anfällig für ein Gefühl des Vortäuschens, weil ihr Leben und ihre Handlungen nicht das ausdrücken, was sie ist. Diese unterstützen eine Fassade, die innere Kraftlosigkeit, Mangel an Bedeutung und die Abwesenheit eines inneren Zentrums in einem unterschiedlichen Grad der Wirksamkeit verbirgt. In gewisser Weise ist sie nicht in ihrem Leben, denn sie kennt sich nicht in der Tiefe.

Diese unsichere Situation bringt sie in eine Lage, ihre Identität immer wieder schützen und verteidigen zu müssen. Sie muss andauernd den Zusammenhalt, die Stabilität und eine positive gefühlsmäßige Färbung des Selbst-spürens aufrecht erhalten und äußere Unterstützung suchen, um ihre Identität abzustützen. Diese Manöver zeigen sich gewöhnlich als übertriebene Selbstbezüglichkeit, in einem Gefühl der Selbstwichtigkeit, und der Beschäftigung mit der Selbstachtung und dem Selbstwert, als dem Versuch, der Zerbrechlichkeit ihrer Identität entgegen zu wirken und dem damit verbundenem Gefühl der Bedeutungslosigkeit. Sie kann ein starkes Bedürfnis danach haben, gesehen, geschätzt und bewundert  zu werden, da eine wackelige Identität ein außergewöhnliches Maß an Aufmerksamkeit braucht, um es zu stabilisieren und zu unterstützen. Sie kann ein Gefühl der Einzigartigkeit spüren und der Berechtigung zur besonderen Aufmerksamkeit. Ihre Vorstellung ihres Selbst kann dann grandios werden. Diese Grandiosität ist beides: ein Ausdruck der Unwirklichkeit ihrer Identität, und ein Weg, des zugrunde liegende Gefühl des Mangels und der Wertlosigkeit zu verbergen. Ein anderer Weg, in dem die narzisstische Störung sich zeigen kann, ist das Suchen nach Beziehungen mit Menschen, die sie idealisieren kann, indem sie versucht, ihr Bedürfnis nach einer äußeren Unterstützung von einem „perfekten“ Objekt zu befriedigen, welches ihr grandioses Selbstbild reflektiert.

 

Sie kann ein oberflächliches Gefühlsleben haben, mit wenig Aufnahmevermögen für Empathie. Ihr Vermögen, sich selbst zu kennen und fühlen, und damit andere, ist durch die mangelnde Tiefe und Unvollständigkeit ihrer Identität  begrenzt. Ihr fehlt Mitgefühl und wirkliche Liebe, nicht nur gegenüber anderen, sondern auch zu sich selbst.

 

Diese Person ist ungewöhnlich empfindlich gegenüber Kränkungen und extrem verletzbar gegenüber Schmerzen. Sie neigt dazu, Gefühle intensiver Rage und Wut zu fühlen als Reaktion auf erlebte Kränkung und Verletzungen und sich gegen die Schwäche ihrer Identität zu verteidigen. Ihre innere Kraftlosigkeit kann sich in einer intensiven Eifersucht und Neid auf diejenigen äußern, die scheinbar ein erfüllendes Leben leben, während ihres sich leer und bedeutungslos anfühlt. Sie tendiert zur emotionalen Abschottung und geht mechanistisch und ohne wirkliche Freude durch das Leben, mit der Ausnahme gelegentlicher Vorfälle äußerer Hervorhebung, Bewunderung und Anerkennung.

(Ihre) grandiosen Phantasien magischer Allmächtigkeit und unbeschränkter Berechtigung können Versuche sein, vielfältige Verletzungen und Abwertungen ihres Selbstbildes zu reparieren und die Gefahr der Auflösung abzuwehren (Morrision1986, p.200)

 

in Almaas, A.H. 1996: The Point of Existence. Transformations of Narcissism in Self-Realization, Boston & London (Shambhala), 116f.

 

  

Nummer

Kennzeichen

Sehr we-nig

We-nig

Ab und zu

Oft

Sehr oft

 

Die Identität ist spröde und zerbrechlich, schwach, wackelig,

 

 

 

 

 

 

Das Gefühl der Identität ist unsicher und unklar

 

 

 

 

 

 

Die Idenitätät fühlt sich manchmal als bedroht an, zerstört oder verloren

 

 

 

 

 

 

Das fühlt sich dann an als hätte ich kein Ich oder als Empfindung unzureichender Leere

 

 

 

 

 

 

Sich verloren fühlen, Sich desorientiert fühlen

 

 

 

 

 

 

Nicht wissen, was zu tun ist

 

 

 

 

 

 

Sich depressiv fühlen

 

 

 

 

 

 

Kein klares Gefühl darüber haben, wer was ich bin und deshalb nicht wissen, was zu tun ist

 

 

 

 

 

 

Ohne ein klares Gefühl des selbst werden die Handlungen wenig Bedeutung haben

 

 

 

 

 

 

Wenn es einem möglich ist, diesen Mangel an innerer Orientierung

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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© Dr. Volker Buddrus