ÜBUNG: Spüren, was gegenwärtig ist

 

Vorbereitung:

Entscheide Dich bewusst dazu, sogleich eine Übung zu machen und bekräftige Dir diese Entscheidung als freie, selbstbestimmte. Schaffe Dir einen Zeitraum von mehreren Minuten zur ungestörten Durchführung der Übung und etwa 10 bis 15 Minuten zum notieren der Erfahrungen mit dieser Übung.

 

 

Teil 1:

Bilde ein paar Minuten lang Sätze, die sagen, wessen Du in diesem Augenblick gewahr bist. Beginne jeden Satz mit den Worten "jetzt", "in diesem Augenblick" oder "hier und jetzt".“

 

Wenn Du nicht alleine bist, kann es ratsam sein, diese Sätze leise oder lautlos zu sagen, wenn Du die Möglichkeit dazu hast, kann es hilfreich sein, die Sätze laut und deutlich auszusprechen. Beginne jetzt damit und lese nicht weiter.

 

Notiere Dir nun Deine Erfahrungen. Lies noch nicht weiter.

 

Erkenntnisfragen:  Welche Bereiche hast Du gespürt: den Körper, Gefühle, Gedanken, Beobachtungen, Erinnerungen, Träume, Pläne? Was hat Dich dazu gebracht, festzulegen, daß nun die Zeit für diese Übung vorbei ist? Ein Gefühl, ein Entschluß, eine Störung aus Deinem Innern oder von außen?

Halte Deine Deutungen und Zuordnungen ebenfalls fest und - wenn Du kannst - werte nicht.

 

Die Übung hat den Zweck, Dich ganz in der Gegenwart leben zu lassen. "Ganz in der Gegenwart zu leben, bedeutet zugleich, gegenwärtige Merkzeichen vergangener Lehren zu beachten und sich so in der Gegenwart angemessener zu verhalten, und es bedeutet auch, die gegenwärtigen Vorboten kommender Ereignisse zu bemerken und sich auf sie einzurichten. Der gesunde Mensch nimmt die Gegenwart als Bezugspunkt, von dem aus er vor- und zurückzublicken imstande ist, wie es der Anlaß erfordert." (Perls, Hefferline, Goodman (7)1992, 45)

 

Entscheide Dich bewusst erneut dazu, sogleich eine Übung zu machen und bekräftige Dir diese Entscheidung als freie selbstbestimmte.

 

 

Teil 2:

Bilde ein paar Minuten lang Sätze, die sagen, wessen Du in diesem Augenblick gewahr bist. Beginne jeden Satz mit den Worten "jetzt", "in diesem Augenblick" oder "hier und jetzt".“

 

Notiere Dir nun Deine Erfahrungen. Lies noch nicht weiter.

 

Erkenntnisfragen:  Was war diesmal anders? Hast Du andere Bereiche gespürt, den Körper, Gefühle, Gedanken, Beobachtungen, Erinnerungen, Träume, Pläne? Was hat Dich diesmal dazu gebracht, festzulegen, daß nun die Zeit für diese Übung vorbei ist?

 

Bei dieser Übung können eine Reihe von Schwierigkeiten auftreten. Überprüfe, ob eine oder mehrere dieser Schwierigkeiten auch für Dich zutreffen.

·       Hast Du diese Übungsanleitung so ausgeführt, daß Du zwar den Worten genüge getan hast, nicht jedoch dem Sinn der Übung gefolgt sind, mir ein Schnippchen geschlagen, einen Streich gespielt hast?

·       Ist diese Übung für Dich eine Art Kampf gewesen gegen mich oder den Kontext? Wenn etwas von diesem zutrifft, kannst Du so weiter machen, siegen und Dich der Erfahrung dieser Übung begeben.

·       Bist Du so gutmütig oder folgsam, daß Du diese Übung gemacht hast, weil Du sie machen solltest, ohne bewussten eigenen Entschluss hierzu?

·       Hast du in dieser Übung versucht zu vermeiden, ganz in die Gegenwart zu kommen? Ist es Dir wichtig, das Leben "einfach so" zu leben ohne viel Reflexion und Bewußtheit? Wenn ja, ist dies dann nicht schon ein Willkommen heißen des Todes vor seiner Zeit?

·       Empfandest du die Übung als kränkend oder demütigend, weil die Gegenwart so profan, trivial oder glanzlos für dich erschien, so nach dem Motto "sollte dies schon alles gewesen sein"? Gibt es für Dich Hindernisse, die Gegenwart mit aufregenden und wichtigen Geschehnissen zu füllen? Was würdest Du gerne in Deiner Gegenwart erleben?

·       Kehre noch einmal zum Wortlaut der Übungsanleitung zurück. Hast Du Dir zusätzliche Anleitungen gegeben? Was brauchtest Du zur Durchführung, was nicht in der Anleitung enthalten war? Was sollte in der Übung geschehen, was noch nicht gewahr war?

·       Bei manchen Menschen sind manche Gewahrseinszonen kaum entwickelt. Welche Bereiche kamen in Deinem Gewahrsein nicht oder kaum vor?

·       Manche stellen sich vor, wessen sie gewahr sein sollten. Ist Dir so etwas passiert und wenn ja, wessen solltest Du Dir gewahr werden?

·       Es gibt Menschen, die betrachten eine derartige Übung als Kraftprobe. Sie müssen sich beweisen, daß sie diese Übung durchführen können. Nach dem Durchführen kehren Sie in den Status quo zurück. Sie haben die Übung erledigt, abgehakt. Dies verfehlt jedoch den Sinn der Übung: sich als immerwährendes Fließen von Vorgängen zu begreifen.

·       Kam es Dir zeitweilig oder während der gesamten Übung so vor, als ob du die Gegenwart verlassen hättest und Dich in der Vergangenheit oder in der Zukunft aufhieltest? Wenn ja, Du bist es, der jetzt diese Zeitwechsel erlebt.

·       Kam es Dir zeitweilig oder während der gesamten Übung so vor, als ob Du den Ort der Übung verlassen hättest, Dich vielleicht von außen dort hätten sitzen gesehen?

·       Wurdest Du während der Übung plötzlich müde, gelangweilt, ungeduldig, ärgerlich? Dies können Widerstände gegen das Durchführen der Übung gewesen sein. Bist Du bereit, diese Anzeichen als Äußerungen von Widerständen anzuerkennen? (nach Perls, Hefferline, Goodman (7)1992, 45 ff.)

 

Notiere Dir alle Erkenntnisse, die Du aus den aufgezeigten Schwierigkeiten für Dich entnehmen kannst.

 

In voller Kenntnis möglicher Schwierigkeiten, entscheide Dich erneut bewusst diese Übung auszuführen und bekräftige Dir diese Entscheidung.

 

 

Teil 3:

Bilde ein paar Minuten lang Sätze, die sagen, wessen Du in diesem Augenblick gewahr bist. Beginne jeden Satz mit den Worten "jetzt", "in diesem Augenblick" oder "hier und jetzt".“

Notiere Dir nun Deine Erfahrungen. Lies noch nicht weiter.

 

Erkenntnisfragen:  Was war diesmal anders? Hast Du erneut Schwierigkeiten bemerkt? Wenn ja, wie bist Du diesmal mit ihnen umgegangen? Notiere Dir Deine Erfahrungen, Erlebnisse und Erkenntnisse.

 

(umgewandelte Übung aus (Perls, Hefferline, Goodman (7)1992, 45f.)

 

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© Dr. Volker Buddrus