Dr. Volker Buddrus

 

 

Übung: Der Erkundungsprozess

 

 

Was ist ein Erkundungsprozess?

Ein methodischer Zugang zum Sein kann durch den Prozess der Erkundung erfolgen. Du erkundest, wie Du gerade bist (Seinszustand) oder warum Du nicht so sein kannst, Du nicht in einem Seinszustand sein kannst. Der Erkundungsprozess öffnet Dich dafür, Kontakt zum Sein zu finden. Dann kannst Du in einen Seinszustand gelangen. Aber Du kannst den Übergang nicht erzwingen. Er ist ein Geschenk, ein Akt der Gnade.

 

Welche Motivation brauchst Du für einen Erkundungsprozess?

Damit Du auch wirklich einen Erkundungsprozess durchführst, brauchst Du Neugier und Interesse. Du bist interessiert daran zu wissen, wo Du gerade mit Deinem Bewusstsein bist. Durch diesen Beweggrund unterscheidet sich der Erkundungsprozess von einem therapeutischen Prozess, bei dem die Linderung von Schmerzen der Beweggrund ist. Am hilfreichsten ist ein liebevolles Interesse daran, zu erkunden, wo Du bist anstelle eines angstbewegten „Ich will es wissen“.

 

Wodurch funktioniert der Erkundungsprozess?

Die Öffnung zum Sein wird durch ein liebevolles Verstehen dessen, warum Du nicht im Sein sein kannst, gefördert. Du erkennst das, was Dich dazu gebracht hat, den Seinszustand zu verlassen und bist emphatisch mit den Nöten der jüngeren Person, die Du warst.

 

Wie geht der Erkundungsprozess vonstatten?

Du erforscht Deine unmittelbare Erfahrung ohne vorgefasste Vorstellungen oder Vorurteile

gegenüber dem Ergebnis und ohne Abschluss.

Du kannst mit irgendeiner Erfahrung beginnen, dann wird sie fortgesetzt durch eine Verbindung von Wahrnehmungen, Erinnerungen, Einsichten, Gefühlen, Empfindungen, Intuitionen sowie subtiler Wahrnehmungen von Energien wie z.B. Ki.

Die Erkundung setzt sich von einer Erfahrung zur nächsten fort und öffnet sich dabei zu tieferen Ebenen, letztlich zum Sein.

 

Hinweise zur Durchführung

·         Erkunde das, was gegenwärtig ist.

·         Vermeide Erklärungen, denn wenn Du Erklärungen abgibst, bist Du in Zwängen gegenüber einer inneren Instanz. Frage dann, wie es Dir gegenwärtig damit geht.

·         Vermeide lange Schilderungen vergangener Ereignisse und Erfahrungen. Wenn Du Geschichten von früher erzählst, bist Du in der Vergangenheit und nicht in der Gegenwart. Finde heraus, warum Du welche Gedanken jetzt denkst und warum du an diese Erfahrungen gerade jetzt anknüpfst.

·         Nehme die Haltung des offenen Endes und der Ziellosigkeit ein.

·         Deine gegenwärtige Erfahrung kann sich in welche Richtung auch immer entfalten.

·         Es gibt keinen besonderen Endzustand zu erreichen.

·         Sei bereit,  jede Form von Erfahrung zuzulassen, auch die sehr ungewöhnlichen.

·         Verstehe liebevoll Deine auftauchenden Tendenzen, Widerstände, Vorlieben, Idealisierungen, Glaubenssätzen und Muster.

·         Halte während der Erkundung eine dich gerade interessierende Frage oder eine besondere Erfahrung als Fokus, also im Zentrum der Aufmerksamkeit. Z.B. „Dieses Pulsieren im Stirnbereich interessiert mich. Ich möchte herausfinden, was das ist“. Drifte nicht in Assoziationen, Träumen, Schlafen ab.

·         Halte während der gesamten Erkundung den Focus.

·         Während der Erkundung kann Dein Bewusstsein in alle Wahrnehmungsbereiche gehen.

·         Nimm zur Kenntnis, welche Wahrnehmungsbereiche genutzt und welche vermieden werden.

·         Während der Erkundung sei dir deines Körpers, deines Atems und der Situation, in der du bist, gegenwärtig.

·         Begegne deinen Erfahrungen mit einer Haltung von Mitgefühl, Raum und Urteilsfreiheit.

 

Was sind mögliche Ergebnisse von Erkundungen?

Erkundungen können ermöglichen:

·         einen Wandel im Erfahren durch eine Einsicht,

·         das Loslassen von Energien,

·         einen starken oder subtilen emotionalen Zustand oder

·         die Ausweitung von Raum in deiner Bewusstheit.

·         Diese Veränderungen sind nicht Ziel und nicht Endzustand. Sie öffnen dich zu einem tieferen Thema oder einer tieferen Seinsebene.

Verhaltensänderungen, psychotherapeutische Ergebnisse, veränderte Bewusstseinszustän-de oder spirituelle Erfahrungen können die Folge sein, werden jedoch nicht angestrebt.

 

In welchem Format kannst Du Erkundungsprozesse durchführen

·         Allein

·         Mit anderen

·         Unter der Führung eines Lehrers

 

Erkundungen sind zuerst eine Technik, dann eine Praxis, dann eine Art zu sein.

 

Welche Techniken können dich unterstützen?

Fortwährende Befragung einer Frage durch einen anderen. Z.B. „wie blockst du deine Gefühle ab“? Oder „was ist in Ordnung, wenn du deine Gefühle abblockst“?

Körperorientierte Methoden zur Aufhebung von Energieblockaden im Körper

Arbeit mit dem inneren Kritiker.

Längerfristige Aufgaben und Fragen, z.B. wie ich meine Emotionen im Alltag unterdrücke oder die besondere Art und Weise, wie ich beurteilend und kritisch werde. Oder dass ich drei Mal am Tag ein Gefühl ausdrücke.

 

Einbeziehen der inneren Führung

Sie ist frei von persönlicher Geschichte und Vorlieben.

Sie enthält die Qualitäten der Objektivität, Klarheit, Kostbarkeit und Genauigkeit.

Ohne das Einladen dieser Qualität wird das Erkunden von Theorien, Erwartungen und Erfahrungen aus der Vergangenheit geleitet.

Die innere Führung wird erlebt, wenn wir ganz offen für den Fluss der Fragen und für die neu entstehenden Erfahrungen sind. Wir geben dann die Kontrolle über unsere Erfahrung auf und erlauben dem Sein, uns dahin zu bringen, wo wir hin sollen.

Sie bringt uns sorgfältige und liebevolle Unterscheidungen und eine elegante Art der Wahrnehmung, zugleich präzise und entspannt.

Die Barrieren gegen die Annahme der inneren Führung beinhalten u.a.

·         dass Du denkst, dies alles schon zu wissen;

·         dass du Dich an Antworten und Glaubenssätzen aus der Vergangenheit orientierst oder an ihnen festhältst;

·         Deine Angst vor dem Unbekannten.

 

 

Quellen:

Almaas, A.H. 2002, Spacecruiser Inquiry. True Guidance for the inner Journey, Boston and London, Shambhala. Übertragen aus dem Englischen von Volker Buddrus.

Davis, John 2002: Liebe zur Wahrheit. Eine moderne Mysterienschule. Der Diamond Approach von A.H.Almaas, Bielefeld (Kamphausen)

 

© Dr. Volker Buddrus

 

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